Wohnverhältnisse
Wohnverhältnisse — ein Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung
Bearbeitet von Christian KochZu den Wohnbedingungen als ein entscheidender Ausdruck der Stellung der Landarbeiter in der Gesellschaft gibt es vielfältige Dokumente. So z.B. folgende Aussagen aus der Sonderausstellung „Als die Börde boomte“ des Agrarmuseums Ummendorf:
„Die häufig um 1800 neu erbauten Wohnhäuser der Bauern waren so gediegen, dass sie zunächst als ausreichend erachtet wurden.
Die zu Reichtum gekommenen Bauern allerdings, die sich nun meist „Oeconom“ nannten, begannen auch, sich komfortablere und repräsentativere Wohngebäude errichten zu lassen. Mehr und mehr konnte man nun schon „feinere Möbel“ in den Bauernstuben finden.
Die Veränderungen in der Bauweise ließen auch Tendenzen hin zu einem mehr abgegrenzten, privaten Lebensstil erkennen, in dem in dieser Zeit die Elterngeneration in einem separaten Altenteil ausgegliedert wurde und sich die Tischgemeinschaft aller auf dem Hof Lebenden also auch mit dem Gesinde, immer mehr aufgelöst hat. Separate Gesindestuben wurden nun im Wohnhaus oder über dem Altenteil an einem Stallgebäude eingerichtet.
Erhebliche Unterschiede zwischen bäuerlichen Familien und dem Landproletariat
Bei den kleinen Bauern wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur wenige Wohnhäuser neu gebaut. Die finanziellen Belastungen, die mit Ablösung der feudalen Lasten verbunden waren, hemmten Initiativen zu Neubauvorhaben.
Das männliche Gesinde, das das Vieh betreute, hatte seine Unterkunft bei kleinen Bauern gewöhnlich im Stall. Nur bei den großen Bauern, die mehrere Knechte beschäftigten, waren bei den Futterkammern auch spezielle Knechtskammern angelegt. Das weibliche Gesinde hatte seine Unterkunft mit im Wohnhaus des Bauern, wo es manchmal auch eine separate beheizbare Gesindestube gab, die zum Aufenthalt der Mägde und Knechte nach Feierabend diente.“
Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.73/74„Wohnhaus eines Landarbeiters in Bodmersdorf, erbaut um 1820“
Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.62„Die zunehmende Wohnungsnot der rasch steigenden Landbevölkerung stellt Sal. Sachs in seiner „Anleitung zur Erdbaukunst“ (Pisé-Lehmbau) von 1825 wie folgt dar:
In früheren Zeiten waren Ein-Familien-Häuser die Wohngebäude der niedrigsten Klasse. Weniger als Stube, Kammer und Küche konnte man einer Familie nicht geben, wenn der Aufenthalt, welcher ihr angewiesen wird, eine Wohnung genannt werden soll. Seitdem aber die Bevölkerung an allen Orten so unverhältnismäßig gestiegen ist, und die Armuth in einem noch höheren Grade überhandgenommen, erblickt man mit Schaudern den Wohnplatz vieler Familien, welcher oft keinen größeren Raum in sich faßt als zu der Spreu erforderlich ist, welche ihr zum Nachtlager dient. Ein reinlicher Viehstall bildet eine gemächlichere Wohnung dar, als die ist, welcher diese Unglücklichen theilhaftig sind. Und dennoch schätzt sich manche Familie noch für glücklich, einen solchen Zufluchtsort gefunden zu haben, und nicht, wie viele andere, gezwungen zu seyn, in einer Scheune oder auf freiem Felde zu übernachten“.
Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.63 Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.112„Wohnhaus für kontractgebundene Landarbeiter eines Großbauern, erbaut um 1840, Osterweddingen, Kreis Wanzleben“
Quelle: Aus „Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 129, Abb. 22„Straßenzug mit Wohnhäusern des ländlichen Proletariats („Häusler“), entstanden um 1830 Groß-Ammensleben, Kreis Wanzleben“
Quelle: Aus „Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 130, Abb. 25„Wohnhaus für kontractgebundene Landarbeiter, erbaut um 1835, Großmühlingen, Kreis Schönebeck“
Quelle: Aus „Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 132, Abb. 32„Wohnhaus für kontractgebundene Landarbeiter eines Gutes, erbaut um 1850, Bergen, Kreis Wanzleben“
Quelle: Aus Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen“, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 133, Abb. 33
„Kaserne „Schloßtor II“ für kontractgebundene Landarbeiter der Domäne, erbaut um 1860, Brandsleben, Kreis Wanzleben“
Quelle: Aus Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen“, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 140, Abb. 54„Kaserne „Neues Haus“ für kontractgebundene Landarbeiter und z.T. für Saisonarbeiter, erbaut um 1870, Klein Germersleben, Kreis Wanzleben“
Quelle: Aus Hans-Jürgen Rach, „Bauernhaus, Landarbeiter, Katen und Schnitterkasernen“, Akademie-Verlag Berlin 1974, S. 141, Abb. 57
Schnitterkasernen für Wanderarbeiter und Saisonarbeiter
„Mit dem stark ansteigenden Zustrom der Wanderarbeiter wuchs auch die Notwendigkeit deren miserable Unterkunftssituation zu verbessern. So errichteten die größeren Güter ab Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts eigene Arbeiterkasernen, auch Schnitterkasernen genannt. Die heute noch erhaltene Arbeiterkaserne in Bahrendorf soll eine der Ersten in der Magdeburger Börde gewesen sein und wurde 1864 gebaut (OBERMAIER, S. 28). So sozial wie es sich heute anhört, dass die Güter eigene Unterkünfte und Häuser für die Wanderarbeiter bauten, so eng und erbärmlich waren doch die Lebens- und Wohnumstände in den Gebäuden. In jeweils eigenen Kasernenordnungen wurden der Tagesablauf und die Ge- und Verbote genau geregelt.“
Quelle: Aus „Spurensuche Wanderarbeit in der Landwirtschaft der Magdeburger Börde und Umgebung“, Förderwerk Land- und Forstwirtschaft Sachsen-Anhalt e.V., Oktober 2006 Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.157„Solche sehr schlichten Schlafquellen mussten zusammen mit einem Strohsack als Auflage und einer Decke den vielen Saisonarbeitern in ihren „Kasernen“ genannten Unterkünften als Nachtlager genügen.“
Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.311 Quelle: Aus „Wanderarbeiter aus dem Eichsfeld, Beiträge zur Geschichte der Stadt Duderstadt, Mecke Druck und Verlag Duderstadt 1990, S. 117Gegen Endes des 19.Jahrhunderts hatte sich die Lebensweise der Leute auf dem Lande differenziert:
Rübenpaläste und Landarbeiterkaten
„Die großen Bauern, die sich nun als Gutsbesitzer bezeichneten, führten in ihren „Rübenpalästen“, mit vielen repräsentativen Räumen für spezielle Zwecke, ein nahezu großbürgerliches Leben. […] Die mittleren und kleineren Bauern wirtschafteten vorrangig im Familienbetrieb und lebten meist noch in den überkommenen Wohngebäuden, bei denen nun allerdings die Küche mit geschlossenen Herden und eingezogener Decke zu einem normalen wohnlichen Raum geworden war. […] Die Wohnungen der kontraktgebundenen und freien Landarbeiter kennzeichneten weiterhin erbärmliche Enge und Raumnot. Zwar hatten die Neubauten aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts meist an Stelle der älteren Piesè-Lehmbauweise Ziegelwände, bessere Türen und Fenster und auch nicht selten gedielte Fußböden, aber an der Zahl und ungenügenden Größe der Räume hatte sich wenig geändert. Die einzige Stube diente gleichzeitig als Wohn- und Schlafraum, die Kammer als Unterkunft der größeren Kinder. Flur und Küche waren Koch‑, Eß- und Arbeitsraum. Wenigstens ein nachträglich angelegter Keller oder ein Raum im Stallgebäude konnte nun schon häufiger für die Vorratslagerung genutzt werden. Auch in vielen Arbeiterhäusern wurden, allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in den Küchen geschlossene Herde, Koksgruden und Kesselfeuerungen installiert.“
Quelle: Aus „Als die Börde boomte! Begleitpublikation zur gleichnamigen Sonderausstellung“, Ummendorf 2008, S.254/255 Quelle: Bauernhaus, Landarbeiterkaten und Schnitterkaserne, Rach, S. 134, Abb.37 + 38 Quelle: Bauernhaus, Landarbeiterkaten und Schnitterkaserne, Rach, S. 139, Abb.52