Bildung
Vom Knecht zum qualifizierten Facharbeiter — Ein Überblick
Bearbeitet von Peter WeidelSchon im 18. Jahrhundert hatte es erste Ansätze für eine organisierte landwirtschaftliche Berufsförderung gegeben. Es entstanden 1762 in Schleswig-Holstein die Ackerakademie, 1738 in Glücksburg das Ökonomie Kollegium und 1798 die ökonomische Lesegesellschaft sowie die patriotische Gesellschaft für die Herzogtümer in Schleswig-Holstein. Trotz aller Bemühungen war diesen Vorläuferorganisationen von Bildungseinrichtungen der Landwirtschaft nur eine kurze Lebensdauer beschieden.
In der Folge entstanden die landwirtschaftlichen Vereine, die sich 1804 zu dem schleswig-holsteinischen landwirtschaftlichen Generalverein zusammenschlossen. Ähnliche Einrichtungen bildeten sich im ganzen preußischen Staat. Der Generalverein entwickelte eine Vielzahl von Aktivitäten. So wurde in Altona eine Hufbeschlagschule gegründet, weiterhin entstand auf dem Lande eine Ackerbauschule und 1870 erfolgte die Eröffnung einer Landwirtschaftsschule. Ein Jahr später wurde die 1. holsteinische Meierei Schule in Betrieb genommen. Der Verein befasste sich mit Fragen der Tierzucht und der so genannten Körordnung. Das Versuchswesen wurde eingeführt und Wanderlehrer eingesetzt.
Landwirtschaftskammern fördern Bildung
Am 30. Juni 1894 trat in Preußen das Gesetz über die Landwirtschaftskammern in Kraft. Zu den wesentlichen Aufgaben der Kammern sollte die fachliche und berufliche Förderung der in der Landwirtschaft Beschäftigten gehören. Als die Landwirtschaftskammer gebildet wurde, hatten die landwirtschaftlichen Schulen schon eine wesentliche Phase der Entwicklung durchlaufen. Drei Jahre später nach der Gründung der Landwirtschaftskammern heißt es in einem Bericht, dass die Förderung des landwirtschaftlichen Unterrichtswesen zu den wichtigsten Aufgaben der Landwirtschaftskammer gehöre. Festzuhalten ist, dass diese Bildungseinrichtungen zu Anfang in erster Linie den selbstständigen Landwirten und weniger dem Landarbeiter zur Verfügung standen.
Mechanisierung erfordert Bildung für Arbeitnehmer
Erst nachdem die fachlichen Anforderungen an die Arbeitnehmer durch fortschreitende Mechanisierung größer wurden, gab es erste Fortbildungsangebote. Anfang der Dreißigerjahre im vorigen Jahrhundert wurden zunehmend so genannte Landarbeiterlehrwirtschaften aufgebaut. Sie dienten sowohl der Qualifizierung von Beschäftigten, aber auch dazu, Erwerbslose aus den Städten für die Landarbeit so anzulernen, dass sie als Arbeitskräfte für die Landwirtschaft tauglich werden. Die Umschulung erfolgte in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit reichlich Maschinen und Geräten, mit einem großen Viehbestand und genügender Anspannung. Der vielseitige Betrieb war zum “Eingewöhnen“ in die Landwirtschaft gut geeignet, so ein Vertreter der LWK. Die aus der Stadt kommenden Schüler sollten zunächst an das für sie völlig fremde Landleben gewöhnt werden. Es heißt dann weiterhin in einer Kammerbroschüre: “Die Schülerzahlen in dem Schulbetrieb werden möglichst immer so hoch gehalten, dass der einzelne Schüler über die ihm zufallenden Arbeiten in Schule und Betrieb hinaus frisch und aufnahmefähig bleibt. Da die Schüler selten Vorkenntnisse mitbringen, ist der Unterricht schlicht und einfach.”
Die praktische Ausbildung wurde ergänzt durch theoretische Unterweisungen. Außer diesen Landarbeiterlehrwirtschaften wurden nach 1930 als staatlich anerkannte Einrichtungen Viehpflege- und Melkerschulen und Lehrwirtschaften eingerichtet. Landwirtssöhne und Berufsmelker erhielten eine geeignete praktische und theoretische Ausbildung im Melken und in der Aufzucht und Viehpflege.
Die technische Revolution hat in der westdeutschen Landwirtschaft etwa um 1950 eingesetzt. Die tiefgreifende Umwälzung der landwirtschaftlichen Produkterzeugung und des Dorfbildes hat alles berührt das zur Landwirtschaft gehörte. Wir erlebten einen ungeahnten technischen Aufschwung, eine schnelle Zunahme der Erzeugung und einen beträchtlichen Wohlstand — zumindest im Durchschnitt der hauptberuflichen Landwirte. Die qualitativen Anforderungen an die Beschäftigten in der Landwirtschaft werden durch die schnellen Fortschritte der Landtechnik unter veränderten Produktionsverfahren in Ackerbau und Viehwirtschaft rasend schnell vielfältiger und anspruchsvoller. Zuerst war die Mechanisierung auf wenige Arbeiten im Großbetrieb beschränkt. Die neuen Schlepper mit Verbrennungsmotor und technischer Ausstattung wurden noch beweglicher und schneller, sie machten ihn zu einer vielseitigen Maschine. Ergebnisse dieser atemberaubenden Entwicklung sind und waren: höhere Erträge, weniger Arbeitskräfte, kürzere Arbeitszeiten gleichmäßige Erzeugung und auch Überproduktion gewisser Lebensmittel. Die Maschinen verlangen eine höhere Verantwortung jeden Arbeiters, der sie bedient. Die Technik setzte Arbeitskräfte frei, die in anderen Branchen beschäftigt werden konnten. Dennoch macht sich in der Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren ein Facharbeitermangel bemerkbar. Der Landwirt wurde ein Beruf, den jeder in ihr Beschäftigte neu erlernen musste. Die alten Regeln, die Erfahrungen vom Vater auf den Sohn weiter zu geben, vom Betriebsleiter auf seinen Arbeiter, reichten durch die schnellen Veränderungen nicht mehr.
Landwirtschaftliche vielfältige Tätigkeiten erfordern eine breite Ausbildung
Während die industrielle Fließbandarbeit den Spezialisten erfordert, muss der technische Arbeiter der Landwirtschaft möglichst vielseitig sein. Er muss mit allen Maschinen und den wechselnden Arbeiten vertraut sein, sich mit neuen Aufgaben selbstständig vertraut machen können, die vielfältigen Zusammenhänge des Betriebes begreifen, mitdenken, verantwortungsbewusst arbeiten und Qualitätsarbeit leisten. Der landwirtschaftliche Arbeiter ist also das Gegenteil des Knechtes von gestern. Der Weg zur fachlichen Leistung ging also über die Ausbildung. Zahlreiche andere Gruppen der “grünen Berufe” hatten diese Änderungen sehr frühzeitig in ihrer Berufsausbildung berücksichtigt. Die größte Gruppe die Landarbeiter war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von der Aus-und Fortbildung ausgegrenzt. Es galt immer die normale Landarbeit als etwas, dass jeder könne.
Winterschulungen in der Landwirtschaft
Eine der wesentlichen Initiativen der Gewerkschaft Gartenbau‑, Land- und Forstwirtschaft galt daher der Ausbildung der Landarbeiter. Dafür wurde die Facharbeiterausbildung eingerichtet, die seit 1957 insbesondere in den westlichen Bundesländern, in denen es Landwirtschaftskammern gab, angeboten wurde. Etwa 100 Facharbeiter konnten bis Ende 1957 zu Landfacharbeitern fertig ausgebildet werden. Die Landwirtschaftskammern förderten die Facharbeiterausbildung die bis etwa 1962 auf wenig Interesse in der Praxis stieß. Viele Arbeitgeberbetriebe waren zunächst nicht gewillt, ihre Arbeitnehmer für die im Winterhalbjahr stattfindenden Vorbereitungsseminare freizustellen, obwohl sie von den Kosten befreit waren. Ab 1962 sind die Teilnehmerzahlen jedoch ständig gestiegen und haben sich seitdem bei etwas über 300 pro Jahr eingependelt. Als wichtiger Grund für den Anstieg der Teilnehmerzahlen ist die Einsicht der Arbeitgeber, dass gut ausgebildete Facharbeiter zum Betriebserfolg beitragen. Bei den Arbeitnehmern zeigte die intensive Werbung der Landwirtschaftskammern für die Teilnahme an Ausbildungslehrgängen zur Facharbeiterausbildung den gewünschten Erfolg. Es hatte sich herumgesprochen, dass erweitertes Wissen und Verantwortung zu einer fortschrittlichen Landwirtschaft in Zukunft gehören wird. Das Qualifikation und ein Berufsabschluss das neue Gesicht des Landarbeiters prägen wird, der weiß was er beanspruchen darf und in der Sozialversicherung die Berufsunfähigkeit im Versicherungsfall beanspruchen kann.
Mit den neuen Teilnehmerzahlen waren die verfügbaren Kapazitäten der Lehranstalten insbesondere der DEULA erschöpft, so dass bereits Interessenten zurückgestellt werden mussten. Damit stellte sich bei den Kammern die Frage, ob die bisherigen Größenordnungen der Facharbeiter ausreichten, um der Landwirtschaft die nötige Anzahl qualifizierter Mitarbeiter zur Verfügung stellen zu können. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts waren zum Beispiel in der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft etwa 20.000 Fremdarbeitskräfte, davon 10.000 Landarbeiter beschäftigt. Bis Ende 1969 hatten etwa 400 Landarbeiter in Schleswig-Holstein den Facharbeiterbrief erworben. Unter Berücksichtigung eines aktiven Arbeitslebens von 30 Jahren ging die Wirtschaftskammer 1969 davon aus, dass sie im Laufe der folgenden 30 Jahre über 2.000 Landarbeiter ausgebildet hat. Das tatsächliche Bild war jedoch noch günstiger. Denn an dieser Ausbildung beteiligen sich nicht nur Landarbeiter, sondern auch mitarbeitende Familienangehörige und Hoferben, das heißt die späteren Betriebsleiter, soweit diese eine ordentliche Lehrausbildung nicht absolviert haben. Damit stellt sich die Frage, ob diese Größenordnungen ausreichen, um der Landwirtschaft die nötige Anzahl qualifizierter Fachkräfte zur Verfügung stellen zu können.
Landwirtschaftliche Ausbildung verändert sich ständig
Die Facharbeiterausbildung ist zwar auf die Erledigung der modernen Landarbeit, auf die Landtechnik abgestellt, sie bietet darüber hinaus aber allen, die keine Gehilfenprüfung abgelegt haben oder ablegen konnten, die Möglichkeit, eine gleichbewertete Prüfung nach den Regeln des Berufsbildungsgesetzes abzulegen und dadurch bis zum Landwirtschaftsmeister aufsteigen zu können. Auf Drängen der beteiligten Sozialpartner und des zuständigen Bundesministeriums wurde die Ausbildungsordnung zum Landwirt zum 31. Januar 1995 substantiell überarbeitet und novelliert. Neben einem neuen, zeitgemäßen Rahmenplan der entsprechenden Ausbildungsverordnung, ist als wichtiger Bestandteil die neue Berufsbezeichnung „Landwirt“ hervorzuheben, die alle führen dürfen, die sowohl in der Vergangenheit als auch der Zukunft sich einer entsprechenden Prüfung gestellt haben oder stellen werden.
Fortbildung auf hohem Niveau
Der rasante Strukturwandel im ländlichen Raum bringt auch für die Arbeitsplätze in der Land- und Forstwirtschaft ständig neue Anforderungen mit sich. Die landwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien haben deshalb zur Sicherung von Arbeitsplätzen im land- und forstwirtschaftlichen Bereich im Jahr 1995 einen Tarifvertrag zur Förderung der Qualifizierung aller Beschäftigten vereinbart. Die fördernde Tätigkeit dieses Qualifizierungsfonds erstreckte sich auf das Gebiet aller Bundesländer. Der Zweck des QLF war die Erschließung und Sicherung wettbewerbsfähiger Voll- und Teilarbeitsplätze in der Land- und privaten Forstwirtschaft durch entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen. Der Bundestarifvertrag QLF war bis Ende 2001 befristet und wurde mit seinem bundesweiten Geltungsbereich nicht wieder verlängert.
Neues Bündnis für Arbeit im ländlichen Raum
Mit dem Ende des Bundes Tarifvertrags QLF vereinbaren die regionalen Tarifvertragsparteien IG Bauen-Agrar-Umwelt und der Arbeitgeberverband der Land- und Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein e.V. sowie der Landesverband der Lohnunternehmer in Land- und Forstwirtschaft e.V. einen mit gleicher Zielsetzung ausgerichteten Tarifvertrag „Qualifizierungsfonds Land und Forstwirtschaft Schleswig Holstein e.V“. auch dieser Qualifizierungsfonds verfolgt die gleichen Ziele wie der Vorgänger auf Bundesebene, d.h. er übernimmt die bewährten Bildungskonzepte und Bildungsmaßnahmen, entwickelt aber auch mit den Bildungsträgern DEULA und Landwirtschaftskammer neue praxisorientierte Angebote. Der QLF fördert und übernimmt die Kosten für arbeitsbegleitende Qualifizierungen und berufliche Weiterbildung in den Bereichen Tier- und Pflanzenproduktion einschließlich nachhaltiger Bewirtschaftung, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, Umgang mit modernen Maschinen und Geräten, Grundlagen der landwirtschaftlichen Betriebslehre und moderner Unternehmensführung, Führerscheinkurse, Qualifizierung zu Fragen des Marketings und alternativer Erwerbsquellen. Am 31. Dezember 2012 hatte der QLF 1.878 Betriebe mit insgesamt 4.390 Arbeitnehmern erfasst. Davon stammen 1.672 Betriebe mit 3.327 Arbeitnehmern aus dem Bereich der Landwirtschaft und 206 Betriebe mit 1.063 Arbeitnehmern aus dem Bereich der Lohnunternehmen.
Woher kommen die Mittel für den Qualifizierungsfonds?
Durch die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Gesetzgebers bezahlen alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Land- und Forstwirtschaft unabhängig von ihrer Tarifgebundenheit in den Qualifizierungsfonds ein. Die Maßnahmen des Fördervereins werden durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert. Der Beitrag beträgt monatlich für den Arbeitgeber 7 € und 3 € für den Arbeitnehmer.
Wer wird gefördert?
Beschäftigte (ständig beschäftigte Fremdarbeitskräfte, Auszubildende), die in Betrieben tätig sind, für die der allgemein verbindliche Tarifvertrag Gültigkeit hat und für die Beiträge an den Qualifizierungsfonds entrichtet werden.
Was wird gefördert?
Weiterbildungsmaßnahmen zu Erschließung und Sicherung wettbewerbsfähiger Voll- und Teilzeitarbeitsplätze. Es werden nur Weiterbildungsmaßnahmen gefördert, die der Vorstand genehmigt hat. Die Höhe der Förderung richtet sich nach den Sätzen des Qualifizierungsfonds im Rahmen der verfügbaren Mittel. Die Förderung ist vor Lehrgangsbeginn zu beantragen.
Quellen: Jahresbericht QLF und Landwirtschaftskammer SH., Landwirtschaft im Wandel Nis R. Nissen- Verlag Boyens u. Co, HeideEin Jahrhundert Landwirtschaftliches Bildungswesen –Dr. Ziesemer. Mittelholsteinische Landwirtschaft im Wandel der Zeit.