Tarife / Tarifverträge
Erste Tarifverträge nach 1945 in der DDR (Deutsche Demokratische Republik)
Bearbeitet von Christian KochMit dem Wiedererstehen der landwirtschaftlichen Tarifvertragsparteien nach dem Kriege auch in der sowjetischen Besatzungszone (arbeitgeberseits die von den regionalen und zentralen Gliederungen der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) getragenen Tarifkommissionen, arbeitnehmerseits die sich branchenbezogen organisierenden Gewerkschaften) und der Notwendigkeit, Rechts- und Planungssicherheit für die arbeitsrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und ihren Mitarbeitern zu schaffen, waren die wesentlichsten Voraussetzungen für Tarifabschlüsse gegeben.
So wurden im Zeitraum von März bis Mai 1946 zunächst einzelne Tarifverträge für die Länder Sachsen, Mecklenburg, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt und im April 1949 ein Tarifvertrag für die privaten landwirtschaftlichen Betriebe in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands geltend für alle in diesen Betrieben Beschäftigten abgeschlossen.
Für die in der Produktion tätigen Landarbeiter enthielt dieser Tarifvertrag nachstehende Lohntabellen in DM/h und Bestimmungen zur Eingruppierung sowie Gehaltstabellen für Angestellte:
(Sowjetische Besatzungszone Deutschlands)
Quelle: „Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, Leipziger ökonomische Sozietät E.V. (H.G.) Leipziger Universitätsverlag 2000, S. 110–112„Im November 1949 trat der Tarifvertrag der volkseigenen Güter in Kraft […] fungierten als Tarifparteien für das Staatswesen das Ministerium für Land- und Forstwirtschaft und für die Beschäftigten der Zentralvorstand der IG Land- und Forstwirtschaft, […]“
Quelle: Privateigentum Familie Müller / BretschBedeutung des Deputats
Die Bereitstellung von Naturalien, Garten, Land, Wohnraum, Verpflegung im Betrieb, Fragen der individuellen Viehhaltung u.ä. Leistungen zu vereinbarten Preisen als traditionsgemäße Bestandteile der Arbeitseinkommen (Deputat) spielte nach dem Kriege bis weit in die 50er Jahre hinein neben den Geldeinkünften eine wichtige Rolle bei der Sicherung des Lebensunterhalts der Landarbeiter und ihrer Familien. So war im Tarifvertrag für die privaten landwirtschaftlichen Betriebe in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands folgender Anspruch auf Nahrungsmittel gegen Bezahlung zu amtlichen Preisen für den Arbeitnehmer und drei seiner nicht mitarbeitenden Angehörigen verankert, die nach Erfüllung des Ablieferungssolls des Betriebes aus dessen „freien Spitzen“ bereitzustellen waren:“
Quelle: „Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, Leipziger ökonomische Sozietät E.V. (H.G.) Leipziger Universitätsverlag 2000, S. 214, 215Auch für andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in anderen „grünen Bereichen“ wurden kurz nach dem Kriege Tarifverträge abgeschlossen.
Erster Tarifvertrag Gartenbau 1948
So wurde vom Zentralvorstand der IG Land- und Forstwirtschaft des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes für die sowjetische Besatzungszone 1948 ein Tarifvertrag für den Erwerbsgartenbau in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands veröffentlicht.
In der Anlage 1 dieses Tarifvertrages, der auch Arbeitszeit, Zuschüsse in Krankheitsfällen, Bezahlung gesetzlicher Feiertage, Überstunden und Urlaub sowie die Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Lohn und Gehaltsgruppen enthält, ist der Lohntarifvertrag für den Erwerbsgartenbau in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands enthalten.
Quelle: Tarifvertrag für den Erwerbsgartenbau in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, herausgegeben vom Zentralvorstand der IG Land- und Forstwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone 1948, Anlage 1, S. 14,15Aus dem früheren Volksgut Schwaneberg — später VEG Schwaneberg — in der Magdeburger Börde wird anschaulich berichtet, wie kompliziert sich in den ersten Jahren die Arbeit der Güter entwickelte.
Schwere Jahre des Anfangs
So wird geschildert, dass „im Betrieb Schwaneberg von 1947 bis 1950 der Plan finanziell erfüllt – also noch mit einem Gewinn von 69 TM 1947/48 und 127 TM 1949/50 gearbeitet wurde, so arbeitete der Betrieb ab 1951 mit erheblichem Verlust. Eine schwere Zeit war dies für alle Landarbeiter, deren Durchschnittsverdienst in diesen Anfangsjahren bei rund 175,- M monatlich gelegen hat.
Ab 1956 hat das VEG Schwaneberg dann wieder mit Gewinn gearbeitet, der Durchschnittslohn stieg von da ab kontinuierlich und auch der Prämienfonds wurde durch gesetzliche Regelungen ab 1957 erhöht und besser für die Belegschaft wirksam. Standen bis 1956 im Prämienfonds (damals Direktorenfonds I und II benannt) 50,- TM bis 76,- TM nur zur Verfügung so waren es 1957 150,- TM, also die doppelte Menge. 1958 wurde der monatliche Durchschnittsverdienst mit 309,- M angegeben.“
Quelle: 40 Jahre VEG Schwaneberg 1945–1985, „Die Geschichte gleicht einem Strom: Es gibt ein Vorher und ein Nachher und dazwischen die Gegenwart – das sind wir – die Kollektive unseres VEG“, Herausgegeben 1985Entlohnung der Landarbeit nach Gründung der DDR
Nach Gründung der DDR 1949 wurden für die privaten Landwirtschaftsbetriebe keine Tarifverträge mehr abgeschlossen.
Rahmenkollektivverträge ersetzen Tarifverträge
So wurden jährlich vom Ministerium für Landwirtschaft und dem Zentralvorstand der Gewerkschaft speziell für die VEG gemeinsame Direktiven herausgegeben. Zu Beginn der 50er Jahre war diesen Direktiven als Anlage stets ein Rahmenkollektivvertrag beigegeben, welche für die VEG verbindliche Regelung zu allen das Arbeitsverhältnis betreffende Fragen der Lohn- und Arbeitsbedingungen beinhaltete.
Für die volkseigenen Güter trat anstelle des Tarifvertrages dann eine Anlage zum Betriebskollektivvertrag (BKV) in Kraft.
Die VEG hatten aus dem Rahmenkollektivvertrag die für ihre Bedingungen zutreffenden Regelungen in ihren jährlich in einer Belegschaftsversammlung zu beschließenden Betriebskollektivverträgen zu übernehmen.
Betriebskollektivvertrag
Die Anlagen zur Direktive des Betriebskollektivvertrages 1955 wurden dann rund 10 Jahre lang in Form von Nachträgen aktualisiert und enthielten Lohn- und Gehaltstabellen sowie weiterhin ausführliche Tätigkeitsmerkmale zur Eingruppierung der Arbeiter und Angestellten entsprechend der Schwere, Kompliziertheit und wirtschaftlichen Bedeutung sowie daraus resultierender Qualifikationsanforderungen ihrer Arbeitsaufgabe in eine zutreffenden Lohn- bzw. Gehaltsgruppe.
Quelle: Privateigentum Familie Müller/ Bretsch
Neuer Rahmenkollektivvertrag
Der Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen der Volkseigenen Güter, der ab Januar 1965 in allen VEG verbindlich anzuwenden war, wies gegenüber den bisherigen Entlohnungsbestimmungen eine neue Qualität auf. Formell betraf das die eigenständige Regelung der Entlohnung der Landarbeiter in einem Rahmenkollektivvertrag im Sinne der heute existierenden Lohn- und Rahmentarifverträge sowie die Loslösung der Entlohnungsbestimmungen von den jährlich erscheinenden BKV-Direktiven.
„Inhaltlich enthielt er umfangreiche Neuregelungen u.a. auch im Ergebnis der bereits erwähnten Erprobung:
- viergliedrige Entlohnungstabellen für Produktionsarbeiter, reduziert auf sechs Lohngruppen mit entsprechender Neufassung der Qualifikation- und Tätigkeitsmerkmale,
- Entlohnung der Produktionsarbeiter in der Feldwirtschaft nach Arbeitsarten sowie weitestgehende Anwendung des Stücklohnes und von Zusatzlöhnen für Mehrschichtarbeit.
- planbezogener Prämienstücklohn und individuelle Leistungszusatzlöhne in allen Bereichen der Tierproduktion,
- kollektive Leistungszusatzlöhne für Brigade-Kollektive aller Produktionsbereiche,
- Leistungszusatzgehälter bei allen Gehaltsempfängern,
- Erweiterung des Geltungsbereiches dieses RKV auch für Beschäftigte in LPG, die in keinem Mitgliedschaftsverhältnis zu ihrer LPG standen
Einen Überblick der Lohnentwicklung von 1949 – 1984 zeigen folgende Tabellen aus dem VEG Schwaneberg
Quelle: Chronik des VEG Pflanzenproduktion Schwaneberg 1945 – 1985, S. 85–87Produktivlöhne ab 1986
Nach der Einführung leistungsorientierter Gehälter für Meister und für Produktionsarbeiter wurden auf der Grundlage des ersten Nachtrages zur Anwendung der Vereinbarungen über die Weiterführung der Produktivlöhne in der Pflanzen- und Tierproduktion ab April 1986 die Produktivlöhne in den VEG generell eingeführt.
Quelle: „Beiträge der betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Forschung in Sachsen zur Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, Leipziger ökonomische Sozietät E.V. (H.G.) Leipziger Universitätsverlag 2000, S. 238Bei der Einführung der Produktivlöhne ging es im Wesentlichen um folgende qualitativen Veränderungen:
- Einführung neuer Grundlohntabellen mit höheren Löhnen mit dem Ziel, den Anteil des Grundlohnes am Gesamtlohn zu erhöhen. Zum Grundlohn erhalten die Arbeiter leistungsorientierte Lohnprämien.
- Einführung neuer Gehaltstabellen mit höheren Gehaltssätzen und wesentlich erweiterten Von-bis-Spannen. Dazu wird die Wirksamkeit der leistungsorientierten Gehaltszuschläge für Hoch- und Fachschulkader, Meister und anderen Werktätigen erhöht.
- Dazu kamen aufgabengebundene Leistungszuschläge, Qualifikationszuschläge und die Möglichkeit der Einstufung in höhere persönliche Lohngruppen und persönliche Gehaltsgruppen.
- Weiterhin wurden leistungsorientierte Schichtzuschläge eingeführt
Die Ausgleichzahlungen für Wochenfeiertage, Haushaltstage und andere Freistellungen von der Arbeit werden anstelle des Tariflohnes auf den Grundlohn bezogen. Dies gilt auch für die Berechnung der Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit, für die nunmehr der Grundlohn die Berechnungsbasis bildet.
Quelle: Erfahrungen bei der Einführung von Produktivlöhnen in den VEG Pflanzen- und Tierproduktionen, Ministerium für Land, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft, 1988