Hochschularbeit der GGLF
Bearbeitet von Jörg Weißgerber
Mitte der 1970er Jahre entdeckte die GGLF die Hochschulen für sich. Sinkende Mitgliederzahlen durch die schrumpfenden Beschäftigungszahlen in der Land‑, Gartenbau- und Forstwirtschaft zwangen die Gewerkschaft, ihre Aktionsfelder zu verbreitern und neue Zielgruppen zu erschließen. Die zunehmende Akademisierung der Belegschaften in Land- und Forstwirtschaft machte die Hochschulen zu einem interessanten Betätigungsfeld für die GGLF. Entscheidend war dabei, dass nur die wenigsten Hochschulabsolventen nach dem Studium Arbeitgeber oder Arbeitgebervertreter sondern Arbeitnehmer wurden. Die Aufnahme von Studenten als Vollmitglieder war zu diesem Zeitpunkt ein Novum unter den DGB-Gewerkschaften.
Quellen: Voigt, Christiane: “GGLF — Hochschulgruppe Göttingen” in: Der Säemann, 3/78; Beck, Ursula; Homes, Bernhard; Lange, Joachim: “Perspektive für die Mitgliedschaft von Studenten in der Gewerkschaft” in: Der Säemann, 4/78
Als Arbeitsauftrag sahen die Hochschulgruppen die Interessenvertretung der Studierenden in den GGLF-Bereichen, die Beteiligung an den Diskussionen um die Studienreform sowie Inhalte und Organisation der Studiengänge. Außerdem versuchte man durch öffentlichkeitswirksame Aktionen neue Studierende zu erreichen und den Bekanntheitsgrad der GGLF zu erhöhen. Natürlich spielte auch der organisationspolitische Aspekt, die ohnehin stark politisierten (angehenden) Akademiker als Mitglieder und Aktive zu gewinnen, eine große Rolle. Auch wurde damit der wachsenden Bedeutung der Angestellten in den Betrieben Rechnung getragen.
Das erste Kontaktseminar der GGLF-Hochschulgruppen fand im Juni 1977 in Kassel statt, welches in erster Linie dem Kennenlernen der Akteure diente. Neben der schon etwas länger bestehenden Bonner Gruppe — seit Mai 1976 — waren die gerade neu gegründeten Hochschulgruppen aus Göttingen (Gründung September 1976), Kiel, Gießen und Weihenstephan beteiligt. Auch Vertreter der Hochschulgruppen in Berlin, Kassel, Hohenheim, München, Freiburg und Osnabrück beteiligten sich am Seminar. Dabei stand der Erfahrungsaustausch mit den bereits etwas länger bestehenden Bonnern für die neuen Gruppen im Mittelpunkt. Thematische Schwerpunkte des Seminars waren die berufliche Interessenvertretung, Praktikums-Tarifverträge, die Studienreform, die Beteiligung an der Agrar- und Wissenschaftspolitik der GGLF sowie eine werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit. Insbesondere für die neu gegründeten Gruppen war jedoch zunächst eine Konsolidierung von Nöten. Darüber hinaus musste man sich über den Umgang mit den Problemen bei der Mitgliedergewinnung und Aktivierung auseinandersetzen.
Quellen: Horzetzky, Günther: “Assistenten und Student gründen GGLF-Gruppe” i: Der Säemann, 7–8/76, S. 22; Brondke, Hartmut: “Hochschulnachrichten” in: Der Säemann, 6/77, S. 6; Voigt, Christiane: “GGLF-Hochschulgruppen: Erstes Kontaktseminar” in: Der Säemann, 11/77, S. 21f
Im Mai 1978 fand in Kassel das zweite Kontaktseminar der GGLF-Hochschulgruppen mit 30 Teilnehmern statt. Während die ersten Gruppen bereits gefestigt waren, befanden sich viele Gruppen zu diesem Zeitpunkt noch im Aufbau. Thematische Schwerpunkte waren die neuen Landeshochschulgesetze (z.B. Baden-Württemberg) und die Studienreformen sowie Fragen des Praktikums. Zum Praktikum wurden als Diskussionsgrundlage 10 Thesen entwickelt, zu denen teilweise auch Kampagnenplakate gestaltet wurden und die vom Gewerkschaftstag der GGLF 1977 in Malente offiziell beschlossen wurden. Auch mischten sich die Hochschulgruppen in Diskussion um die geplante Überarbeitung der vom GGLF-Gewerkschaftstag 1962 beschlossenen “Agrarpolitischen Richtlinie” der GGLF ein.
Quelle: Schaten, Marion: “GGLF-Hochschulgruppen” in: Der Säemann, 10/78, S. 12fZwischen Oktober 1979 und September 1981 führten die GGLF-Hochschulgruppen ein Projekt zum “Berufspraxisbezug im agrar- und gartenbauwissenschaftlichen Studium” durch. Ziel war es, die betrieblichen Probleme auch in die Hochschule zu tragen und auf deren Grundlage Reformmodelle zu entwickeln. Eine konkrete Umsetzung scheiterte jedoch am massiven Widerstand der Fachbereiche und den Arbeitgebern. Der Bericht zum, vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft finanzielle geförderten, Projekt wurde 1982 veröffentlicht. Er enthielt u.a. die 10 Thesen zum Praktikum, fünf “Thesen zur arbeits- und sozialrechtlichen Stellung des Praktikanten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau” und eine Sondernummer der Zeitschrift “Die Saat”. Diese enthielt die “Konzeption eines Modellpraktikantenseminars” für die grünen Fachbereiche, das die Idee einer gesamtheitlichen Vor‑, Begleit- und Nachbetreuung des Praktikums durch Seminare sowie eine bessere Integration der Praktika ins Studium vorsieht.
Am 27./28. Juni 1980 beteiligten sich Vertreter der GGLF Hochschulgruppen an einer Fachtagung der DGB-Gewerkschaften in Essen zum Thema Studienreform unter Federführung der GEW. Dabei wurde von insgesamt rund 350 Teilnehmern in 14 Arbeitsgruppen beraten. So gehörten die Teilnehmer der GGLF u.a. der “Fachkommission III der Wissenschaften, die sich mit dem Bauwesen, dem Gartenbau und der Landgestaltung befassen” unter Federführung der IG BSE an. Auch hier war das Thema Praxisbezug im Studium von hoher Relevanz. Die AG Gartenbau, Landwirtschaft und Forsten stand unter Leitung der GGLF-Vertreter Thomas Hentschel und Günther Horzetzky. Sie befasste sich unter anderem mit der Notwendigkeit einer höheren Bedeutung der akademischen “Orchideenfächer” der grünen Bereiche, z.B. in Hinsicht auf die Bekämpfung des Welthungers und der Qualität von Lebensmitteln. Auch hier stand natürlich wieder der Berufspraxisbezug sowie die Einbeziehung von Praktikanten in die geltenden Tarifverträge im Vordergrund der Diskussionen.
Quelle: DGB: Gewerkschaftliche Bildungspolitik: Stellungnahmen, Analysen, Informationen, 11/80
Ab 1980 gab die Hochschulgruppe Kiel eine eigene Zeitschrift “Die Saat” heraus. In ihrer ersten Auflage befasste sie sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Praktikum und enthält u.a. einen Musterpraktikumsvertrag. Insbesondere der fehlte den Studierenden der Praxisbezug in der landwirtschaftlichen Hochschulausbildung, weshalb eine Reform der Praktika angemahnt wurde. Beispielhaft wurde ein praktikumsvor- und nachbereitendes sowie begleitendes Seminarkonzept vorgestellt.
Die extra Saat — Zeitung der Gewerkschaft
In den Folgejahren veranstaltete die GGLF regelmäßig Tagungen der Hochschulgruppen, um einen bundesweiten Austausch zu ermöglichen. So trafen sich im Mai 1983 in Bonn mehr als 20 Vertreter der Hochschulgruppen des grünen Bereichs. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Gruppen bereits soweit etabliert, dass keine grundsätzlichen Fragen der Ausrichtung der Hochschularbeit mehr diskutiert werden mussten, was durchaus als Erfolg verbucht werden konnte. Stattdessen standen konkrete Sachfragen im Mittelpunkt. Debattiert wurde dabei über ein breites Themenspektrum. Sowohl gesamtgesellschaftliche Probleme wie die Ausweitung der Mitbestimmung und die Hochschulreform als auch fachspezifische Fragen wie Agrar- und Forstentwicklung, das Waldsterben oder der Praxisbezug im Studium wurden bearbeitet.
Quelle: Hentschel, Thomas; Meyer-Wölfing, Erwin: “Hochschul- und Gewerkschaftspolitik enger verbinden! — Bericht vom Arbeitstreffen der GGLF-Hochschulgruppen” in: Der Säemann, 9/83, S. 10